Zwischenräume – wo Konflikte entstehen und Lösungen möglich werden
Es gibt Worte, die mehr sind als bloße Redewendungen. Sie beschreiben Zustände, Erfahrungen und Spannungen, die viele Menschen intuitiv verstehen – gerade dann, wenn es kompliziert wird. Eines dieser Worte ist „zwischen“. „Zwischen“ bezeichnet keinen festen Ort. Es ist kein Anfang und kein Ende. Es ist ein Übergang. Und genau dort entstehen Konflikte – aber dort ist auch der Platz für Lösungen. Wichtig nur, das es nicht nur Zwischenlösungen werden sondern gangbare Wege.
„Zwischen den Jahren“ – ein Raum außerhalb des Alltags
Die Redewendung „zwischen den Jahren“ hat einen historischen Ursprung. Sie geht auf die Zeit zurück, als unterschiedliche Kalender nebeneinander existierten – Mondjahr und Sonnenjahr. Die Tage, die nicht eindeutig zuzuordnen waren, galten als eine Art zeitlicher Zwischenraum. Bis heute nutzen wir diese Formulierung für eine Phase, in der das Alte abgeschlossen ist, das Neue aber noch nicht begonnen hat. Eine Zeit der Rückschau, der Orientierung, des Innehaltens. Im übertragenen Sinn ist „zwischen den Jahren“ ein Zustand, den viele Organisationen kennen:
- Eine Strategie endet, die nächste ist noch nicht klar.
- Rollen verändern sich, Zuständigkeiten sind unklar.
- Entscheidungen stehen an, aber es fehlt noch der gemeinsame Blick nach vorn.
Dieses „Dazwischen“ fühlt sich oft unsicher an. Gleichzeitig ist es ein Raum mit Potenzial – wenn er bewusst gestaltet wird.
„Zwischen den Stühlen sitzen“ – wenn Loyalitäten kollidieren
„Zwischen den Stühlen sitzen“ beschreibt eine andere Erfahrung des Dazwischen. Die Bedeutung ist klar: Man gehört nicht eindeutig zu einer Seite. Erwartungen widersprechen sich. Egal wie man entscheidet, jemand ist unzufrieden. Im Unternehmens- und Verwaltungsalltag begegnet mir diese Situation häufig:
- Führungskräfte zwischen Geschäftsleitung und Team
- Projektleitungen zwischen Auftraggebern und Fachabteilungen
- Gesellschafter zwischen wirtschaftlichen Interessen und persönlichen Beziehungen
Das Problem ist dabei selten mangelnde Kompetenz. Es ist der Widerspruch der Erwartungen, der ungelöst bleibt. Wer dauerhaft zwischen den Stühlen sitzt, verliert Handlungsfähigkeit. Entscheidungen werden vertagt, Kommunikation wird vorsichtig oder defensiv, Konflikte verlagern sich in den informellen Raum.
Mediation setzt genau hier an. Sie macht sichtbar, welche Stühle es überhaupt gibt und wer darauf sitzt. In der Mediationssitzung werden die Themen ‚besprechbar‘ und es kann verhandelt werden, wie die Sitzordnung gemeinsam neu zu gestalten ist.
„Zwischen die Fronten geraten“ – wenn Konflikte eskalieren
„Zwischen die Fronten kommen“ stammt ursprünglich aus dem militärischen Kontext. Es beschreibt eine Situation, in der jemand unbeabsichtigt in einen offenen Konflikt gerät – ohne selbst Partei ergriffen zu haben. Im zivilen Kontext erleben wir das:
- Mitarbeitende geraten zwischen rivalisierende Abteilungen
- Führungskräfte werden in Machtkonflikte hineingezogen
- Externe Partner stehen plötzlich im Zentrum interner Auseinandersetzungen
Hier ist das „Zwischen“ kein neutraler Raum mehr. Es wird gefährlich. Emotionen, Vorwürfe und Zuschreibungen verdichten sich. Kommunikation wird taktisch oder bricht ganz ab. In solchen Situationen geht es nicht mehr darum, Recht zu behalten. Es geht darum, Eskalation zu stoppen und wieder Gesprächsfähigkeit herzustellen. Mediation schafft einen geschützten Raum, in dem die Fronten benannt werden dürfen – ohne sie weiter zu verhärten. Ziel ist nicht der schnelle Kompromiss, sondern das Verstehen der Dynamik, die den Konflikt trägt.
Das „Zwischen“ als Gestaltungsraum
Alle drei Beispiele haben eines gemeinsam: Das „Zwischen“ ist kein Fehler im System. Es ist ein notwendiger Übergangsraum. In der Mediation wird dieser Raum bewusst geöffnet:
- Widersprüche dürfen nebeneinanderstehen
- Unterschiedliche Interessen werden sichtbar
- Emotionen bekommen einen Platz, ohne zu dominieren
Erst wenn das „Zwischen“ nicht mehr vermieden wird, entsteht die Möglichkeit, gemeinsam nach vorn zu planen.
Von der Klärung zur gemeinsamen Gestaltung
Gute Mediation endet nicht mit einem Handschlag. Sie führt von der Klärung zur bewussten Gestaltung der weiteren Zusammenarbeit. Das bedeutet:
- Rollen und Erwartungen werden neu abgestimmt
- Entscheidungswege werden klarer
- Zusammenarbeit wird nicht dem Zufall überlassen, sondern gemeinsam geplant
Gerade in Organisationen ist das entscheidend. Denn ungelöste „Zwischenräume“ tauchen immer wieder auf – bei Veränderungen, Wachstum, Nachfolge oder Krisen. Wer sie frühzeitig bearbeitet, verhindert, dass sie zu dauerhaften Konfliktzonen werden.
Aus Bildern können Taten werden
„Zwischen den Jahren“, „zwischen den Stühlen“, „zwischen den Fronten“ – all diese Bilder zeigen: Das Schwierige liegt oft nicht in den Positionen selbst, sondern im Dazwischen. Mediation hilft, diesen Raum zu strukturieren, zu klären und nutzbar zu machen. Nicht um Unterschiede aufzulösen, sondern um sie tragfähig zu verbinden. Denn dort, wo das „Zwischen“ gestaltet wird, entsteht die Grundlage für eine konfliktfreie, verlässliche und zukunftsfähige Zusammenarbeit.
Ralf Hasford | Wirtschaftsmediator + Moderator
Ralf Hasford | Wirtschafts-Mediation | Strategie-Moderation | Konflikt-Prävention |
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Ralf Hasford | Juni 2025
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in Organisation und Unternehmen - Supervision für Führungskräfte
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